Vogelperspektive
Vogelperspektive

Vogelperspektive

Ich erlaube mir mein volles Leben nicht.

Nur so ein bisschen. Das Nötigste.

Und wenn, dann auch nur, wenn es hart und schwer ist.

Ich erlaube mir Leichtigkeit nicht. Freude nicht.

Das ist alles verboten.

Ich erlaube mir nicht, wenn es kalt ist, eine dünne Jacke anzuziehen –

weil ich ja frieren könnte.

Ich erlaube mir frieren nicht.

Ich erlaube mir Fülle nicht. Alles, was dazugehört.

Als wäre es verboten wie ein Stück Schokolade vor dem Essen.

Wie zu langes Fernsehen. Wie Trödeln.

Wie den Moment genießen.

Es muss weiter, schneller, weniger, fader sein –

damit es „echt“ ist.

Puh, ich spüre, wie Wut in mir hochkommt.

Wer hat das eigentlich erfunden?

Und warum glaube ich immer noch daran?

Daran, dass mein Job keinen Spaß machen darf.

Dass ich nicht einfach anziehen und tanzen darf, wie ich will.

Dass ich alles analysiere – ob es richtig ist und schwer genug –

damit ich mir mal kurz die Freude in meinem Leben verdienen darf.

Aber dann bitte in homöopathischen Dosen!

Nicht, dass ich mich noch dran gewöhne

oder an einer Überdosis Spaß draufgehe!

Ich dränge mich selbst zum Tief­tauchen,

weil ich immer wieder einen Deckel über mich halte,

indem ich mir sage: „Ich darf nicht höher, weiter, leichter!“

Dann bleibt mir ja nichts anderes übrig!

Ich begrenze mich – und bestätige mich auch noch darin.

Ich darf mich also mehr und mehr fragen, wenn es wieder eng wird:

Wo quetsche ich mich noch rein – und wo kann ich den Deckel lüften?

Wo kann ich meine Flügel weit aufspannen

und einfach mal eine Runde drehen?

Einfach mal mich zurücklehnen,

die Vogelperspektive einnehmen

und von oben schauen, was eigentlich alles gehen könnte,

wenn ich es mir einfach erlauben würde.

Und dann?

Einfach machen.