Heut Morgen lagen die Pokemon-Karten von meinem Sohn vor mir und ich kam tatsächlich ins Staunen. Vor mir lagen vier Karten von Pokemons, drei davon empfand ich als sehr kraftvoll und mächtig (Gliscor (KP120), Skorga (KP 70) und Voltos (KP 110)) und dann lag da noch Relaxo (KP 160). Ein Pokemon, dass im Schatten eines Baumes schläft. Ich fande daran so erstaunlich, dass der KP-Wert1, also die Aussage darüber, wie stark ein Pokemon ist bei Relaxo am höchsten war. Ich weiß noch, dass ich mit meinem Sohn darüber sprach, wie wertvoll ich es finde, dass gezeigt wird, dass die Erlaubnis für Pausen, Kräfte sammeln und Regeneration eines der größten Stärken ist, die wir besitzen.
Im Moment beschäftigt mich das Thema sehr. Zum einen nehme ich in meiner Umgebung und bei mir selbst so oft wahr, dass die eigene Erlaubnis für eine Pause, für „Nichts“ tun oder für das Prinzip „weniger ist mehr“ in uns manchmal als Möglichkeit gar nicht vorhanden ist, bzw. dieser Pfad so verstaubt oder so blockiert ist, dass wir ihn als Auswahlmöglichkeit gar nicht in Betracht ziehen. Ich empfinde die Angst viel zu groß, etwas loszulassen, dass ich lieber weiterhin an etwas festhalte, dass mir nicht gut tut und ich so lieber weiter MACHE.
Ich finde es bei mir selbst so interessant herauszufinden, warum ich lieber nach „viel hilft viel“, Kontrolle und dem Machen strebe, als dem „weniger ist mehr“, Vertrauen oder lösen. Da sind bei mir selbst so viele Glaubenssätze und Blockaden wie unter anderem „Ich bin nicht genug.“ vorhanden, die mich all die Situation so betrachten lassen, dass ich auf jeden Fall nicht einfach mal pausieren, langsamer, stiller oder weniger mache, habe oder sein sollte. Lieber renne ich wie eine Wilde mit dem Kopf durch die Wand, werde schneller, lauter, wütender und baue in mir und den anderen Druck auf. Wenn ich die Wahl hätte würde ich zurück treten, mir das große Ganze anschauen, leiser werden, langsamer werden und dann mit Klarheit eine Entscheidung treffen. Ich spüre gleichzeitig, dass dieser Trampelpfad langsam zu einem breiteren Weg wird und ich so die Spinnweben bei Anderen wahrnehmen kann.
In meinem Umfeld nehme ich gerade wahr, wie Freunde auf die Arbeit gehen, die eigentlich lieber zuhause sein sollten, Aufgaben für andere erledigen, obwohl sie mit ihren eigenen schon überlastet sind, noch mehr Likes oder Kommentare sammeln oder vergeben, um gesehen zu werden oder noch ein Heilangebot wahrnehmen, damit sie sich nicht mit sich selbst beschäftigen. Jedes Mal wenn ich es beobachte, beiß ich mir auf die Zunge und würde eigentlich gern fragen: Warum? Warum machst du nicht „einfach“ nichts? Das gleiche frage ich mich dann auch bei mir. Ich spüre den Impuls, dass ich mir nicht mehr auf die Zunge beißen will, ich will selbst meine Grenzen setzen und nicht mehr zusehen. Auch wenn ich noch nicht weiß wie.
Heute habe ich auch darüber nachgedacht, dass unser Haus bald fertig ist und ich empfinde es so, als ob mein Mann eigentlich alles ganz allein gemacht hat. Wie oft ich da saß und an mir zweifelte, weil ich in meinen Augen und vielleicht auch in vielen anderen, nicht genug mache. Der Gedanke hat mich oft gequält. Heute war das erste Mal, wo ich für mich realisiert, ich habe genauso viel beigetragen. Ich habe Ausdauer an den Tag gelegt. Ich habe gefühlt, wenn Entscheidungen aus Angst heraus getroffen werden wollten und habe darauf aufmerksam gemacht, so dass wir andere Entscheidungen treffen konnten, die für uns viel wertvoller waren. Ich habe den Rücken gestärkt. Ich habe ein zuhause warm gehalten, in dem mein Mann auftanken konnte. Ich habe viele Dinge begleitet und erkannt, die untergingen, weil nur gehandelt wurde und ich konnte Vertrauen, Hoffnung und Perspektiven aufzeigen. All das wäre nicht möglich gewesen, wenn ich knietief mit auf der Baustelle drin gesteckt hätte und waren gleichbedeutend anstrengend und wichtig auf unserer Reise, Entwicklung und für unser Projekt.
Nur weil ich nicht mache, mache ich nicht Nichts!
In mir kommt immer wieder die Frage auf, wie es eigentlich beruflich für mich weiter geht. Seit langem weiß ich, dass das was ich gelernt und bisher ausgeübt habe, ganz weit weg von dem ist, was zu mir passt. Ich weiß heute, dass ich diesen Weg nur gegangen bin, weil er vernünftig war und ich ihn ganz gut gehen konnte. Heut kam wieder der Satz in mir hoch: „Ich kann doch sonst Nichts!“. Zum ersten Mal war dieser Satz aber mit einem Aha-Effekt verbunden. Vielleicht darf ich ja irgendwann anderen Menschen helfen, auch das „Nichts“ zu können. 🙂 Vielleicht darf ich anderen helfen, dass sie einmal anhalten, still werden, langsam werden, weniger werden, weniger machen oder sind und dass sie es schön finden, so wie ich es gerade für mich herausfinde und lerne. Vielleicht darf ich irgendwann Menschen dabei helfen, in ihrem Leben wieder Raum erhalten, indem die Zeit nicht mehr rennt, es nicht mehr so laut und voll ist wie in unserer Gesellschaft und in der sie selbst die Auswahlmöglichkeit haben, dass sie sich von Dingen, Menschen, oder Gewohnheiten trennen.
Zumindest finde ich diesen Gedanken schön und erkenne immer mehr wie laut, schnell und vollgepackt die Welt ist und wie ich sie anhalten, stumm schalten und Raum aufbauen kann.
1 KP-Wert: Kraftpunkte (KP) zeigen an, wie gesund ein Pokémon ist und wie viel Schaden es einstecken kann, bevor es kampfunfähig wird. Der KP-Wert ist eine von drei individuellen Stärken, die bei der Bewertung eines Pokémon angezeigt werden. (www.pokemon.com)