16 – Macht
16 – Macht

16 – Macht

*Triggerwarnung: In den gekennzeichneten Abschnitten geht es um Gewalt, bitte wähle selbst ob du diese lieber auslässt.*

Ich hatte in meinem Leben öfter mal den Gedanken, dass das was ich da gerade spüre gar nicht ganz zur Situation passt oder wie eine verschwommene Erinnerung an eine andere Situation war. Es war immer so vage, dass ich es nie greifen konnte.

Zum Beispiel hatte ich immer so einen leichten Druck an meinen Knien, an meinen Schläfen oder in meinem Magen, wenn ich Angst bekam und mich überwältigt fühlte. Oder wenn mir etwas zu viel wurde, ich Enge spürte und ich mich dann wie eingefroren oder körperlich schwach fühlte als würde mein Körper in eine Schockstarre rutschen. Krankenwagen die an mir vorbei fuhren, Krankenhäuser oder Ärzte machten mich immer nervös. Meine ständige Angst, dass ich überall einfach in Ohnmacht fallen könnte, wurde ein ständiger Begleiter. Immer fragte ich mich, was eigentlich falsch mit mir ist, wenn ich das fühlte.

Das war halt mein Leben und gehörte irgendwie zu mir und trotzdem gab es da immer Zweifel und Fragen in mir. Ich denke seit letzter Woche habe ich eine Antwort.

Als Kind war ich eine Weile im Krankenhaus, weil ich nicht „genug“ wog und sich Ärzte und dann meine Eltern Sorgen machten. Im Krankenhaus sollten verschiedene Test gemacht werden, damit herausgefunden wird was mir „fehlt“. Ich kannte diese Erinnerung und wusste auch immer das ich sie nicht schön fand, aber mehr war da nicht. Letzte Woche kam diese Erinnerung auf einmal hoch, als hätte sich ein festgekrusteter Fropfen einfach gelöst und mit ihm alles nach oben gespült.

[Gewalt… Ich war 10 Jahre alt und lag in einem Krankenhausbett, Krankenschwestern hielten mich fest, unter anderem eine an den Knien und eine an den Seiten meines Kopfes. Sie fixierten mich, damit ein Arzt einen Schlauch in meinen Hals stecken konnte für eine Magenspiegelung. Er fluchte, weil der Schlauch nicht wie er wollte, („Ahh, du doofer Schlauch…Stell dich nicht so an!“) Meine Mutter stand am Rand und sah alles mit an. Mein Körper kam der Gewalt über mich zur Hilfe und ich bekam Nasenbluten, so dass alles abgebrochen werden musste. 2 Mal musste ich diese Tortour noch erleiden.]

Als ich mich da liegen sah, fühlte ich es die Angst, die Überforderung, die Machtlosigkeit, die Hilflosigkeit, die Gewalt an mir, meine Mutter die nicht für mich da war und mich da nicht raus holte. Als erwachsener Mensch, von außen und rational sehe ich, dass all die Menschen um mich herum aus Liebe gehandelt haben. Meine Mutter, die Schwestern, der Arzt, alle wollten sie mir doch „helfen“. Mich heilen, von etwas, dass gar nicht krank war, nur nicht in eine Normtabelle passte. Als kleines Kind, das gesund war, nicht verstand was los ist und da lag, sah ich es emotional und an mir wurde Gewalt und Macht ausgeübt, indem mir die Macht über meinen Körper genommen wurde. All das hatte sich in mir festgesetzt, der Druck, die unterlassenen Schreie, das ausgeliefert sein, das nicht wehren können, die Angst, die Ohnmacht. All das saß in mir wie eine Art Dämon, der in Panikattacken, die sich genau so anfühlten, wieder hoch kam.

Jetzt durfte ich für mich 2 lebensverändernde Dinge erkennen:

  1. In jeder Art der Gewalt oder Verletzung die ausgeübt wird, steckt immer ein Akt der Liebe. Nicht das es das rechtfertigt, aber es ändert die Sichtweise auf diesen Menschen. Sie haben eventuell eine ungeheilte Form der Ausdrucksweise von Liebe und kein Bewusstsein darüber.
  2. Ich bin niemals in meinem ganzen Leben jemals Macht-/Kraftlos. Ich habe die wundervolle Gabe, alles in mir einzuschließen, was ich bin, wenn es im Außen zu heftig für mich wird und zum geeigneten Zeitpunkt kann ich mich wieder öffnen, aber meinen Kern, mein Sein, kann niemand brechen, egal wie stark es ist. Ich gebe niemals meine Macht ab oder sie wird mir genommen. Sie zieht sich nur in mich zurück. Das ist Kraftvoll! Ich kann mich fallen lassen und Vertrauen haben.

Das ich all das sah und fühlt war sehr heftig, für meinen Verstand, meinen Körper und meinen Geist, alles hatte sich noch einmal wie durchgearbeitet, aber meine Seele fühlt sich nun frei an. Ich bin gespannt, ob all das jetzt ausheilen darf und ich die Panik, die Angst vor Ohnmacht, noch einmal in meinem Leben brauchen werde. Ich bin gespannt ob ich mich jetzt öffnen, vertrauen und fallen lassen kann in andere Menschen und Situationen.