19 – Grenzen
19 – Grenzen

19 – Grenzen

Für mich fühlen sich Grenzen setzen noch oft sehr trennend an. Lange Zeit dachte ich, dass Grenzen setzen bedeutet, ich rufe laut „Halt-Stopp-Ich will das nicht“. Mittlerweile erfahre ich auch, dass es auch eine Grenze ist wenn ich sage “ ich fühle, ich spüre, ich denke“. Je größer ich mich mache (mehr fühle, spüre, verstehe), desto größer werden auch meine Grenzen. Ich hatte dann die Vorstellung, dass der Andere/die Andere sich von mir abwendet und es nur geht indem er/sie seins macht und ich meins = Trennung vom Anderen, oder eben ich mich verleugne und mache, was mein Gegenüber will = Trennung von mir.

Für mich ist Grenzen setzen ein sooo komplexer, vielschichtiger und kraftvoller Prozess und ich spüre ich bin noch ganz am Anfang im verstehen, anwenden und üben. Ich möchte gern meine heutigen Gedanken über das „Grenzen setzen“ mit euch teilen:

Grenzen setzen ist für mich schmerzhaft, beängstigend, unsicher, angsteinflößend und gleichzeitig so wertvoll, selbst ermächtigend, selbst entdeckend und magisch. Wenn ich eine Grenze setze indem ich zum Beispiel sage: „Ich fühle mich nicht wohl dabei.“ „Ich spüre Anspannung bei dir oder mir.“ „Ich denke, dass ich jetzt gern … machen möchte oder es anders.“. Passieren für mich 2 mächtige Sachen:

  1. Ich zeige mich. Ich mache mich nackt und zeige ehrlich, offen, authentisch mit allem was in mir ist, mich meinem Gegenüber. Das empfinde ich immer noch als krass und riskant und gleichzeitig so schön und erleichternd. Was damit passiert ist, ich spreche aus, was in mir ist (mache mich sichtbar) und dadurch kann ich mich sehr deutlich und klar sehen und auch meinem Gegenüber die Chance dazu geben. In dem Moment zeige ich mir, wer ich bin und gebe irgendwie auch den Staffelstab weiter und sage, hey wer bist eigentlich du? Dann können vielleicht 2 Sachen passieren. Dein Gegenüber nimmt es dankbar an und zeigt sich auch. Etwas sehr kreatives kann entstehen, wenn dein gegenüber mit Grenzen geheilt ist und es annehmen kann z.B. ach cool lass uns dieses oder jenes machen oder jeder macht seins und wir kommen dann wieder zusammen. Was auch passieren kann, ist dass dein Gegenüber noch einen destruktives System mit Grenzen hat und sich getriggert fühlt, z.B. Abwehr, Ablehnung, Flucht, Kampf. Erst jetzt verstehe ich mehr und mehr, dass dies nichts mit mir zu tun hat, sondern einfach nur seins/ihrs zeigt und auch das ok ist. Sowohl für mich, als auch für ihn/sie.
  2. Das zweite was passiert, ist dass in mir auf einmal ein riesiger Raum entsteht. Als würde ich erst mit dieser Grenze einen riesigen Raum öffnen (wie eine Tür). Die Tür für mich = Ich erkenne mich. Bisher war dieser Raum, den ich dann aufgemacht habe kalt, einsam, dunkel, negativ, erdrückend. Das war auch der Grund warum ich diese Tür nie aufgemacht habe -> keine Grenzen gesetzt habe. Dieser Raum war bedrohlich, beängstigend, verschluckend. Ich hatte immer den Gedanken, dass dieser Raum böse ist. Da ist ein Raum von etwas und das zieht mich hinein und verschluckt mich. Erst heute habe ich den Raum gespürt und ich konnte das erste Mal sehen, dass ist mein Raum. Er ist:
    • Dunkel – weil ich mein eigenes Licht immer dimme
    • Kalt, weil ich mir keine Wärme schenke
    • negativ, weil ich nichts positives über mich sage
    • beängstigend, weil ich meinen eigenen Mut nicht lebe
    • einsam, weil ich nicht für mich da bin und den Raum nie betrete
    • erdrückend, weil ich den Raum nicht öffne
    • falsch anfühlen, weil mein System noch nicht voll und ganz geheilt ist

Die Erkenntnis war krass und gleichzeitig befreiend, denn ich kann den Raum gestalten, ach wenn ich noch nicht ganz weiß wie. Hinter all der Angst, der Ablehnung und der Flucht, dass ich diesen Prozess des „Grenzen setzen“ wähle liegt also auch so viel Liebe, Annahme, Magie und einfach mal ICH! Ich erkenne klarer, dass Grenzen immer eine Verbindungseinladung ist. Zum einen definitiv in der Verbindung mit mir selbst aber auch beim anderen mit meinem wahren Selbst. Dieser Weg ist für mich noch immer anstrengend, er wird es auch immer immer mehr und trotzdem denke ich, umso dunkler, anstrengender und angsteinflößender er wird, umso mehr komme ich bei MIR an. Ich denke immer irgendwo da ganz „BEI MIR“ ist ein Samen der ist faulig, der sagt mir „ich bin falsch“ und je mehr ich, ICH werde, desto näher komme ich an diesen Samen und irgendwann kann ich ihn ziehen und da einen so gesunden kraftvollen Samen „ich bin richtig“ einpflanzen.

Soweit in der Theorie. Vielleicht begegnen wir uns ja mal in der Praxis 🙂