24 – Verantwortung
24 – Verantwortung

24 – Verantwortung

Puh in den letzten 2 Wochen war ich in einem enormen Prozess und habe das Gefühl, so langsam bekomme ich wieder Boden unter den Füßen. Ich möchte dich gern mitnehmen, da ich spüre, dass dieses Thema groß ist, nicht nur für mich und ich spüre so sehr, dass es mich ruft.

Ich glaube hereingezogen in diesen Prozess hat mich eine Situation mit meinem Sohn und seiner Schule. Mein Sohn und meine Tochter hatten in den vergangen Jahren immer wieder Momente, wo sie früh nicht in Schule oder Kindergarten gehen wollten. Bisher haben wir, so gut wie es uns möglich war, diese Situationen gemeistert. Auch diesmal hatte ich wieder das Gefühl. Wir haben versucht, dass wir meinen Sohn begleiten, führen, nicht drängen und Druck raus nehmen. Nachdem wir dies versucht hatten und es auch dann keinen Weg gab, blieb er daheim. Am nächsten Tag ging er wieder in die Schule. Dann nahm die Geschichte von Ereignis zu Ereignis Fahrt auf und mein Bewusstsein und Prozess nahm zu. An jedem einzelnen Punkt spürte ich, dass eine Stimme in mir sagte „das fühlt sich doch komisch an – da stimmt was nicht“, aber ich konnte es nie greifen. Ich war einfach so sehr im System. Es wurde immer intensiver – am Anfang war ein Eintrag im Hausaufgabenheft (Bewertung seiner Abwesenheit), dann folgte die Aussage der Lehrerin, dass dies nie wieder passieren sollte, dann folgte ein Zusammentreffen mit der Direktorin und den Klassensprechern, in denen darüber gesprochen wurde, dass es mehrere Fälle von Bauchschmerzen bei den Kindern morgens gibt und wie eines zum anderen führte, glitt ich da so durch, dass doch etwas nicht stimmt und dass nicht so sein sollte und trotzdem war ich so sehr blind, dass ich es nicht ausmachen konnte.

Letzten Freitag morgen wachte ich auf und da war mein Inneres wie am brodeln, ich spürte richtig diesen Druck in mir, wenn die Kindern nicht in dem Zeitrahmen den ich vorgebe (zwischen meinem aufstehen und dem Schulbeginn) funktionierten. Von Situation zu Situation, mit jeder vergangenen Minute stieg der Druck in mir und die Weitergabe meines eigenen Drucks an meine Kinder. Außerdem flehte ich innerlich meinen Mann an, dass er doch auch noch an der ein oder anderen Stelle mehr Verantwortung übernehmen könnte, damit ich mir selbst die Erlaubnis gebe, dass ich Verantwortung und Druck abgebe, denn alleine konnte ich es nicht, erst wenn es mir jemand abnimmt, durfte ich loslassen. Nachdem alle aus dem Haus waren und Stille einkehrte und ich auf dem Boden saß fragte ich mich: „Muss das so sein?“ „Habe ich wirklich keine andere Wahl?“ „Was stimmt da nicht?“

Mit einer wundervollen Seele konnte ich alles loswerden, was ich sah und was ich nicht sah und redete mich immer weiter hinein in diesen Nebel aus dem was ich fühlte und was ich im Außen sah und auf einmal viel es mir wie Schuppen von den Augen. Mein Kopf, System und Herz explodierte gefühlt gleichzeitig. Ich erkannte tausende Dinge, die meine Welt wie einen Spiegel zerschlugen und seitdem entsteht in mir eine neue Welt.

Ich erkannte:

  • Unlust ist ein wahrhaftiges Gefühl und keine Faulheit. Es ist der erste Grad, der anzeigt, dass die Situation nicht mit meinem Inneren übereinstimmt und mir anzeigt, dass ich hinschauen darf (Was brauch ich?, Was kann ich verändern?) Das ist das Gefühl bevor Wut oder Angst entsteht oder körperliche Anzeichen wie Bauchschmerzen. Diese dürfen kommen, weil ich Unlust ignoriert habe und ich doch unbedingt hinschauen sollte. Ich nehme Unlust jetzt viel mehr Ernst!
  • Den Druck den ich empfinde, ist weil ich eine Verantwortung übernehme, die gar nicht meine ist. Mein Sohn hat keine Lust, auf die Schule, weil die Schule kein schöner Ort für ihn ist. Weil er nicht gesehen wird, weil er sich entgegen seiner Gefühle und Natur verhalten muss, weil kein Raum da ist für Liebe, Wertschätzung Mitgefühl sondern Druck, Anspannung, Funktionieren, Traumata,… . Ich übernehme die Verantwortung der Schule, dass ich mein Möglichstes gebe, damit mein Sohn die Schule als doch „zumindest ganz ok“ empfindet. Indem ich das Positive herausstelle, weil ich motiviere, weil ich versuche, dass alles klappt. Es ist aber nicht meine Verantwortung, dass ich Johann gefügig mache, damit die Schule funktioniert, sondern es ist die Verantwortung der Schule, dass sie hinschaut was die Kinder zeigen und ob Stellschrauben gedreht werden können. Ich kann mir jetzt selbst die Erlaubnis geben, dass ich die Verantwortung und auch den Druck loslasse. Im Moment sieht das so aus, dass mein Sohn halt nicht schafft, das er zur ersten Stunde da ist. Dies bricht gerade auf. Ich merke nur, dass ich gern allem mit Liebe begegnen möchte und Druck loslasse. Wie es weiter geht weiß ich noch nicht. Ich möchte gern ein konstruktives Gespräch mit der Schule führen.
  • Das Druck auf jemanden anderen ausüben, eigentlich nur eine Druckentlastung von sich selbst ist und deshalb für mich schon als Machtmissbrauch (die eigene Macht wird nicht selbst in die Hand genommen, sondern auf andere ausgeübt, damit sie funktionieren) und emotionale Gewalt. Ich habe jetzt noch einmal ein sehr viel sensibleres Verständnis dafür entwickelt wie wir ALLE Macht, Verantwortung, Druck und ja auch Gewalt missbrauchen.(Auf uns selbst andere Erwachsene und Kinder. Das hat mich selbst so traurig gemacht wie ICH es jeden Tag, tausend Mal anwende (nicht weil es mir bewusst ist, nicht weil ich es will, oder weil das ich bin) ABER ICH TUE ES! Ich möchte Verantwortung dafür übernehmen! Was noch viel besser ist: Ich kann jetzt aufhören und andere einladen, dass sie es auch machen. Ich finde das so kraftvoll.
  • Das ich Schulpflicht noch einmal völlig neu bewerten kann. Dieses Gesetz war für mich gefühlt immer ein Hammerschlag. Ja, es gibt Schulpflicht, es gibt aber auch das Recht auf emotionale Unversehrtheit. Es gibt das Recht, dass Kinder ohne Druck, Schuldzuweisung, Scham, Ohnmacht, Drohungen in der Schule agieren können. Ich empfinde es so, dass ein Missverhältnis entstanden ist, dass die Pflicht über den eigenen Rechten steht (genau so habe ich agiert und es in mir gefühlt – es ist wichtiger, dass wir pünktlich sind, als das du jetzt noch dieses oder jenes willst oder ich). Ich möchte mein eigenes Bewusstsein dafür öffnen, dass ich da hinschauen darf, dass dieses Verhältnis wieder umgedreht werden kann und hingeschaut wird.

All das entwickelt sich gerade in mir. Dieses Bewusstsein bekommt in mir tiefe Wurzeln, ich kann endlich Räume ohne Angst und Druck betreten, die vorher für mich nie möglich waren und ich mich immer so gefangen gefühlt habe, ohne das ich wusste warum. Außerdem entsteht in mir eine Vision, ein Glaube, ein Aktionismus, den ich gerade so kraftvoll und energiegeladen empfinde und vor allem und das ist so schön. Ich empfinde und gebe sehr viel mehr Liebe! Ich entdecke meine eigenes Kind und meine physischen Kinder noch einmal ganz neu. Ich habe Raum für Freude.

Ich bin wieder einmal gespannt wo das hinführt, stolz und so glücklich über den Menschen den ich werde und über die Freude, Liebe, Kompetenz, Wurzeln und Selbstwert, den ich in mir entdecke.