4 – Tiefste Wunde
4 – Tiefste Wunde

4 – Tiefste Wunde

Ich denke die beiden tiefsten Wunden die je ein Mensch in meinem Leben hinterlassen hat, sind die Erfahrungen mit meinen Eltern. Jeder für sich hat einen tiefen Krater in meinem Herzen hinterlassen. Zumindest habe ich das genau so bisher empfunden. So oft habe ich es versucht und bin vor dieser Wunde davon gelaufen. Bis nach Neuseeland hat es mich getragen, soweit also wie ich nur konnte. Immer auf der Suche nach Verbindung, Liebe, Halt, Stabilität, Freiheit und Frieden. Nie war mir bewusst, dass ich meine tiefe Wunde doch nur mitnehme und egal wie schön es da ist oder wie sehr meine Hoffnung und Wünsch erfüllt werden, ich könnte all das nie annehmen. Ich sah immer nur durch die Brille der Verletzung, des Vorwurfs und des Schmerzes. Nach meinem Verständnis kann man durch diese Brille nie Schönheit, Liebe und Glück sehen, auch wenn das Außen einen damit umgibt.

MEINE MUTTER

Bisher hatte ich einen riesigen Vorwurf an sie, dass sie mir die Möglichkeit nahm, dass ich ICH sein konnte und das ich in die Welt ziehe und mich entfalten konnte. Ich nahm es immer wahr, als würde ich sie enttäuschen, zurücklassen und nur wegen mir wäre sie unglücklich, wenn ich meinem Herzen folge. Ich empfand es so, dass sie, um dieses Gefühl in mir zu erzeugen, mir drohte, manipulierte, auf die Tränendrüse drückte. Alles möglich machte, damit ich nicht wachse, damit ich nicht größer werde als sie, sonst hätte sie keine Freundin mehr, keine Leidensgenossin, keine kleine Tochter. Ich empfand so viel Wut, Verletzung und Traurigkeit, denn ich nahm mich zurück, ich verstellte mich, ich blieb. Ich machte mich immer klein, auch als sie nicht mehr um mich war. Sie war zwar nicht in meiner Nähe, doch die Wunde blieb: wenn ich mich zeige oder groß mache, lasse ich alle im Stich, ich enttäusche alle und sie leiden wegen mir.

MEIN VATER

Bisher trug ich so ein schweres Gewicht auf mir, weil ich jedes Mal wenn ich meinem Vater begegnet bin, den Gedanken hatte, er misst mich anhand meiner Leistungen. Immer dachte ich, ich bin nicht gut genug, ich leiste nicht genug, die anderen machen mehr. Ich bin so unfähig. Ich empfand es so, als er mich immer nur fragte wie meine Projekte laufen, er vorschlug was ich noch verbessern kann. Schon als Kind zählte, für mich gefühlt, nur das und ich dachte mein Vater sieht mich nur scheitern. Es wurde zum Druck, unter dem ich sehr oft zerbrach. Der Druck den ich mir selbst machte, um geliebt zu werden und gut genug zu sein. Der Druck übertrug sich auf alles. Ich müsste nur ein wenig über meine Grenzen gehen, damit ich mehr schaffe. Ich dürfte nicht schon wieder krank sein. Ich müsse mehr machen, mehr leisten, mehr verdienen, mehr, mehr, mehr. Jeden Monat, Woche, Tag sah ich, wie ich es nicht schaffte. Ich dachte: Ich war unfähig und zu nichts in der Lage, bis es Wirklichkeit wurde. Das was ich erreichte war egal, es war ja doch nie genug. Bei jedem Anruf meines Vaters, die Angst im Nacken, was ich wieder nicht erreicht habe.

Erst nachdem ich diesen Vorwurf und was ich mit mir und anderen mache sehen konnte wurde mir klar. Ich darf dieses Verhalten von meinen Eltern und all die Erlebnisse in denen ich diese Gefühle und den Glauben hatte auch anders sehen und bewerten. Meine Eltern taten dies nie weil sie mir schaden wollten, mich nicht liebten oder mich klein halten wollten. Es war ihnen wahrscheinlich noch nicht einmal bewusst, dass ihr Verhalten solche Auswirkungen hat oder ich so empfinde. So wie ich es als kleines Kind nicht äußern konnte und der Schmerz irgendwann so groß war, dass ich nicht mehr „klar“ sehen konnte. All diese Kausalität war mir selbst nicht bewusst. Wie hätte ich es also klar kommunizieren können. Erst jetzt wo ich mehr hinschaue, was ich für Gedanken und Muster habe, was sich wiederholt und wo das her kommt und warum, kann ich es sehen.

Das Geschenk dahinter, dass ich es noch einmal sehe und fühle (was echt weh tut) ist, dass ich jetzt nicht mehr aus dem kleinen Kind sehen kann, was sich nicht geliebt fühlt, sondern aus der Sicht der erwachsenen Katharina und die kann alles ganz anders sehen:

Ich sehe jetzt wie sehr meine Eltern mich geliebt haben und mir nie weh tun oder schaden wollten. Sie haben lediglich aus eigenen Mustern gehandelt, ihre eigenen Erfahrungen gemacht und aus Angst, Sorge reagiert. Daher fühle ich jetzt keinen Schmerz oder Verletzung sondern Mitgefühl und Dankbarkeit.

Danke, dass ihr mir mein Leben geschenkt habt. Danke, dass ihr für mich gekämpft habt. Danke, dass ihr mich umsorgt habt. Danke, dass ihr mich geliebt habt. Danke, dass es mir nie an etwas materiellen fehlte. Danke, dass ihr mich immer unterstützt habt. Danke, dasihr mir so viele Möglichkeiten geschenkt habt. Danke, dass ihr mir Selbstständigkeit beigebracht habt. Danke, dass ich durch euch viel Kraft und Stärke erlangen durfte. Danke, dass ihr immer das Beste für mich wolltet.

DANKE DANKE DANKE

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