8 – Angst
8 – Angst

8 – Angst

Seit über 4 Jahren ist Angst mein stetiger Begleiter, meine Freundin und mein Käfig. Vor circa 1600 Tagen begann es. Ich hatte eine Nasenscheidewand-OP geplant und 2 Wochen vorher war ich bei einer Blutabnahme und ich fuhr danach mit dem Rad auf Arbeit. Auf einmal bekam ich ein komisches Gefühl im Körper und die Angst stieg bis ins Unermessliche. Ich rief den Notruf. Eine Woche später das selbe nochmal. Als der Sanitäter mit mir sprach beruhigte sich alles und ich fing furchtbar an mit weinen. Dieses Gefühl von Scham hatte ich nicht zum ersten Mal. Diese Gedanken: „Ich bin so bescheuert. Ich bilde mir all das nur ein.“. Seit dieser Zeit verging kein Tag, an dem ich nicht mindestens einmal am Tag Angst hatte, oder sogar Panik.

Ich wachte Nachts auf und hatte Angst mein Herz bleibt stehen oder ich bekomme keine Luft mehr. Ich hatte Angst beim kochen, Yoga, Sport, beim essen oder auch nicht essen. Jeden Tag hatte ich Angst beim Abgeben oder Abholen meiner Kinder. Wenn mein Mann Dienstreise hatte, war bei seinem verlassen der Wohnung bis zur Ankunft mein Puls extrem hoch und die Unruhe lies mich wie ein Zombi umherwandeln. Ich wollte flüchten, aber wohin, wenn es in mir war? Die Angst und Panik konnte immer und überall einsetzten. Meist genau dann, wenn ich mich wohl und gut fühlte. Meist genau dann, wenn es sich nach Leben anfühlte. Es war oft wie eine Welle durch meinen Körper. Als knipst jemand einen Schalter an. Ich lebte bisher wie in einem Tunnel, konnte mich kaum auf das Außen konzentrieren und wollte jedes Mal so schnell wie möglich nach Hause und mich in meinem Bett vergraben. Da schien es einen sicheren Ort, der mich auffängt.

Ich hatte schon früher in meinem Studium oder vorher solche Episoden, jedoch hielten sie nie länger als ein paar Wochen und waren nicht so intensiv. Ich dachte ich bekam es immer wieder in den Griff oder es hatte äußere Einflüsse.

Ich weiß noch wie wir über ein zweites Kind nachdachten und ich Wochen lang überlegte was ich machen solle und irgendwann da saß und dachte: „Ich lass mir das von der Angst nicht auch noch nehmen.„ War da doch so viel was sie mir nahm, zumindest empfand ich es so, lange Zeit.

Ich zog mich zurück. Beschränkte alles auf ein Minimum. Ich quälte mich durch die Tage, Wochen, Monate und Jahre. Ich suchte nach Lösungen, ich stand jeden Tag auf, mit der Hoffnung, ab heut wird alles anders. So viele Momente wo ich dachte, jetzt müsste ich die Lösung doch gefunden haben. Jetzt bin ich über den Berg und dann holte es mich wieder ein. Ich fühlte bisher immer als würde ich in meinem Bett oder Wohnung leben und das Leben findet da draußen ohne mich statt. Wie oft ich Termine abgesagt habe, bei meinen Kindern nicht dabei war oder mich wenigstens mal irgendwohin quälte.

Seit einer Woche ist die Angst weg. Ich fühle mich wie in Alarmbereitschaft. Immer auf der Hut. Ich spüre sie, wie noch in meinen Knochen, als würden da noch Erinnerungen an sie sitzen. In meinem Kopf steckt sie noch fest, weil mein Kopf sich nicht zu früh freuen will. Aber seit einer Woche fühlt es sich an, als wäre die Tür meines Käfigs offen. Ich stecke abwechselnd Mal Kopf, Arme oder Beine raus, weil ich noch Angst habe, dass die Tür sich schließt. Hinter der Tür ist Leben, Leichtigkeit und Farben.

Ich spüre wie ich die ganze Zeit umgeben war von Dunkelheit, Schmerz, Enge, Last. Ich war wie Tod, nur halt am Leben. Wie gefangen und konnte nur von einem Ort (der sich wie unter einer Taucherglocke anfühlte) zuschauen, wie um mich herum Leben stattfand.

Ich bin gespannt, was das Leben jetzt bereit hält und ob es Leben für mich außerhalb geben kann oder wie oft ich noch innerlich, in meinem Nervensystem oder Kopf sterbe und die Angst mich beschützen möchte, bis ich herausfinde wie ich all das in mir befreit habe, dass sich unsicher anfühlt und nicht leben kann. Ich bin gespannt ob ich anfangen kann, dass ich nicht mehr vor mir selbst wegrenne und ich nicht mehr mein größtes Hindernis bin. Ich bin gespannt ob ich die Angst noch als Schutz benötige oder mich jetzt ohne ihre Hilfe sicher fühlen kann.

Ich bin so dankbar für diese harte Zeit, denn hätte es sie nicht gegeben würde ich jetzt sagen ich bin zurück im Leben und nicht, ich beginne jetzt mit meinem Leben. Denn jetzt bin ich mehr als je zuvor ICH. Eine bessere Frau, eine bessere Mama, eine bessere Ehefrau und eine bessere Freundin, als ich sonst gewesen wäre ohne diese Zeit.