Ich habe mir Angst angezogen wie einen warmen Pelzmantel im tiefen, kalten Winter. Ich zog ihn an, weil er meine Freude verdecken sollte. Er war schwer, er drückte auf meine Schultern, ließ meine Knie weich und wackelig werden. Er erdrückte die Freude, die so stark ist, dass sie alle nervt. Nervt, weil sie sie nicht haben, weil ich sie an ihren Schmerz erinnere. Also begegneten sie mir mit Ablehnung, mit Häme, mit Strafen, mit Drohungen – und dann war da meine Chance: Ich zog den Mantel an. Er war mein Freund, mein Begleiter, mein Schutz. Damit gehörte ich dazu, war wieder dabei, verbunden, überlebte – und der Wunsch war stärker als der Wunsch nach Lebendigkeit.
Die Angst konnte ich besser unterdrücken, herunterschlucken, verdauen als das Bewusstsein, dass ich dies mit meiner Freude tat. Die Angst war kontrollierbar – nicht wie die Freude.
Aber die Freude ist stark in mir: groß, hell, voller Energie. Es ist nicht nur die Freude über die kleinen Dinge in allem, sondern die Vorfreude auf die Welt da draußen, auf alles, was es zu entdecken gibt – alle Tiere, Menschen, Pflanzen und Orte. Sie ist Lebendigkeit, Neugier und Genuss in einem. Sie drückt und schiebt, sie lässt sich nicht einfach einen Mantel überziehen und mit der Angst in einen Abgrund stürzen.
Sie ruft, sie lebt, sie sprudelt, sie klappert wie eine Klapperschlange ihr Lied. Nicht weil sie droht, sondern weil sie warnt: Vergiss mich nicht. Ich bin ein Teil von dir. Ein großer, mächtiger Teil. Der Teil in dir, der dich leben lässt und nicht nur überleben. Also nicht nur ein Teil, sondern dein Wesen, das dich ausmacht – und irgendwann verstummte.
Heute bin ich der Klapperschlange zum ersten Mal gefolgt und habe meine Freude berührt. Sie streckte auf einmal wie eine Hand aus einem Moorsumpf heraus – und ich zog daran. Mein System kollabierte, aber jetzt ist da in mir etwas berührt und aufgerissen, das keine Ruhe mehr geben wird.